Repetitio est mater studiorum
Die Wiederholung ist die Mutter allen Lernens
„Lernen und das Gelernte immer wieder üben – ist das keine Freude?“ Das ist – hier links als traditionelle Langzeichen geschrieben – der berühmte erste Satz aus den Gesprächen des Konfuzius. Dieser Satz interpretiert ähnlich wie sein römisches Pendant die Wiederholung als Lernmethode und steht als Primat des Lernens und Studierens nicht umsonst ganz vorne in dem bekanntesten konfuzianischen Klassiker, der als Kompendium konfuzianischer Kardinaltugenden den ostasiatischen Kulturkreis seit mehr als 2.000 Jahren bis auf den heutigen Tag so nachhaltig geprägt hat. Wiederholung als Lernmethode: Innerhalb der konfuzianischen Tradition ist die durch intensives Lernen und Wiederholen erzielbare höhere Bildung elementar. Damals nur für wenige, heute für viele. Nicht nur für traditionelle chinesische Teezeremonien, sondern auch für moderne Wissenschaft und Technik.
Dieser Satz, den jedes chinesische Kind kennt, ist für viele auch der Beginn einer traditionsverbundenen Erziehung, die von Kindern etwa ab dem 7. Lebensjahr schon eine hohe Lern- und Leistungsbereitschaft, Selbstdisziplin, Gehorsam, Geduld und Unterordnung abverlangt. Dies ist die unabdingbare Voraussetzung dafür, auch später als Erwachsene in einer kollektivistisch-maskulin geprägten Gesellschaft mit starker Traditions- und Langzeitorientierung Beziehungen aufzubauen, seinen Platz zu finden und erfolgreich zu sein.
Nach Jahren der Unterbrechung wird das Ritual der chinesischen Teezeremonie heute wieder praktiziert und an die nächste Generation weitergegeben. Die alte konfuzianische Kerntugend des Lernens und Übens spielt hierbei eine fundamentale Rolle. Es ist die gleiche Tugend, die dafür sorgt, dass China seit 2019 die meisten Patentanmeldungen weltweit verzeichnet und heute in vielen Schlüsseltechnologien bereits mit zur Weltspitze gehört bzw. sogar die globale Führung übernommen hat. Biotechnologie, Elektro- und Wasserstoffmobilität, Erneuerbare Energien, Robotik, Medizin, Pharmazie, Hybridweizen, Künstliche Intelligenz, Raumfahrt oder 5 G-Mobilfunk, E-Commerce, Quantencomputer, Informations-, Kommunikations- und Internettechnologien sind nur einige Beispiele.
Ob sich diese Entwicklung in Anbetracht der jüngsten Ereignisse (Sicherheitsgesetz für Hongkong vom 30. Juni 2020; Militarisierung Südchinesisches Meer, strikte Null-Covid-Politik, hohe Arbeitslosigkeit von Hochschulabsolventen, prorussische, antiamerikanische Haltung, Teilentkopplung der USA und der EU von China, Anti-Spionage-Gesetz…) allerdings so performant fortsetzen wird, darf in Zweifel gezogen werden, denn – um es mit den Worten von Xunzi (3. Jh. v. Chr.) zu sagen: „shui neng zai zhou, yi neng fu zhou“ – „Wasser [Bevölkerung] kann ein Boot [Regime] tragen, es aber auch zum Kentern bringen“ 水能载舟,亦能覆舟。
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Auf dem Weg an die Spitze: Chinesen denken anders
Aufgrund ihrer wirtschaftlichen Macht fordern die Chinesen seit 2013 einen ähnlichen globalen Grossmachtstatus ein, wie ihn die Amerikaner seit dem Ende des 2 Weltkrieges besitzen, einen Status, den sie als 新型大国关系 (xinxing daguo guanxi) bezeichnen, womit eine „neue Form der Beziehungen“ zwischen einer etablierten (USA) und einer neuen aufsteigenden (China) Grossmacht gemeint ist.
In der Geschichte sind Konfrontationen zwischen etablierten und aufstrebenden Grossmächten häufig mit den Mitteln des Krieges ausgetragen worden, was die Chinesen nur allzu gut wissen. Aber auch nach ihrem Verständnis „gibt es auf einem Berg nicht genügend Platz für zwei Tiger“ 一山不容二虎。 Die Volksrepublik China will die Nummer 1 werden, aber – das mag für Auseinandersetzungen im Land selbst und auch vor der eigenen Haustüre anders sein – möglichst nicht mit den Mitteln des Krieges. Dafür werden intensiv andere Möglichkeiten genutzt, wie z. B. Entwicklungsfinanzierungen in Afrika, Investitionen in Südamerika und EU-Staaten, Kauf von Häfen und anderen Infrastrukturen, neue Freihandelsabkommen, neue Bündnisse, die Neue Seidenstrasse, Konfuzius-Institute, Kauf von Schlüsseltechnologien, physikalische Grossprojekte, Investitionen in ki-basierte Cybertechnologien…
Chinesische Politiker zitieren gerne aus den Lehrsätzen ihres berühmten Generals Sunzi, einem brillanten Strategen aus dem 5. vorchristlichen Jahrhundert, nach dessen Überzeugung militärische Stärke zwar unabdingbar ist, doch die höchste Form des Sieges nur darin bestehen kann, einen Gegenspieler ohne Kampf zu bezwingen (die chinesische Variante von „Soft Power“). „Wer ohne zu kämpfen eine „Armee“ (heute: „einen Gegner“) besiegt, ist Champion unter den Besten“ (不戰而屈人之兵,善之善者也). Das Buch Sunzi mit dem deutschen Titel „Die Kunst des Krieges“ wurde von hochrangigen chinesischen Politikern als seidenbesticktes Bändchen immer wieder und gerne an amerikanische und europäische Politiker verschenkt: Vielleicht als freundlich-verdeckter Warnhinweis, dass Chinesen in Konfliktfällen niemals aufgeben und nicht nach eingefahrenen Verhaltensmustern reagieren und handeln, sondern dazu imstande sind, völlig unerwartet gewaltige Potentiale und unkonventionelle Ideen freizusetzen?
Deutsch-Chinesische Beziehungen
Anfang Mai 2018 war in den Medien von einer Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, des Auswärtigen Amts und des Sekretriats der Kultusministerkonferenz die Rede, deren Ziel es sein soll, die China-Kompetenz in deutschen Schulen und Hochschulen massiv auszubauen. „Deutsche lernten zu selten Chinesisch und studierten zu wenig und zu kurz in China“. Ausgangspunkt hierfür war eine im Herbst 2017 durchgeführte Studie des Mercator Institutes for Chinese Studies. Auch Wirtschaftsvertreter waren sich darüber einig, dass Deutschland in punkto China-Kompetenz noch eine Menge aufzuholen habe.
Kaum 2 Jahre später kündigt der deutsche Aussenminister wegen des von der chinesischen Regierung verabschiedeten sog. Sicherheitsgesetzes das Auslieferungsabkommen zwischen Deutschland und der Sonderverwaltungszone Hongkong. Zudem wird für bestimmte deutsche Güter ein Exportstopp verhängt, 2 deutsche Universitäten beenden ihre Kooperation mit den jeweiligen Konfuzius-Instituten und deutsche Sicherheitsbehörden warnen deutsche Firmen mit Niederlassungen in der Volksrepublik China vor der Ausspähsoftware Golden Spy, die zusammen mit staatlich verordneter chinesischer Finanzamtssoftware auf IT-Systemen installiert wird. Nach weiteren Eskalationen erläßt die EU Sanktionen gegen China und die Volksrepublik China Sanktionen gegen die EU. Es folgen von chinesischen Staatsmedien gesteuerte Boykotts gegen europäische und amerikanische Mode- und Sportartikelhersteller.
Doch was haben frühere Sanktionen gegen die Volksrepublik gebracht? Haben die 1989 gegen China erhobenen Sanktionen China demokratischer und freiheitlicher gemacht, haben sie zu mehr Abrüstung geführt? Die Realität: Alle Sanktionen – und so wird das auch mit allen neuen Sanktionen sein – waren wirkungslos und haben die chinesische Führung nicht von ihrem Kurs abbringen können. Im Gegenteil – sie haben dazu beigetragen, dass China noch intensiver nach Autarkie strebt und andere Bündnis- und Wirtschaftspartner sucht.
Die Volksrepublik China ist politisch, wirtschaftlich, technologisch und militärisch so erstarkt, dass sie nur noch von innen heraus veränderbar ist.
Aber es gibt noch eine andere Realität. Eine Realität, die wir mitgestaltet haben: Mehr als 200 Milliarden EURO Handelsvolumen mit China 2019. Im 2. Quartal 2020 waren die Exporte in die VRCh höher als in die USA. 8.000 deutsche Unternehmen waren in China aktiv – davon ein Viertel mit chinesischen Niederlassungen.
Die beiden Realitäten zusammengenommen sind für viele unvereinbar. Aber wenn wir lernen, ein wenig wie Sunzi zu denken, finden wir vielleicht doch noch eine dritte Option, die aufgrund unserer wirtschaftlichen Abhängigkeit von der Volksrepublik China flexiblere Möglichkeiten bieten könnte als starre Sanktionen.
In Kapitel 3 des Buches Sunzi vertritt der Meisterstratege die folgende These:
故 曰, 知 己 知 彼, 百 戰 不 貽。
Denn es heisst: Kennt man sich selbst und seinen Gegner gut, wird man in 100 Schlachten keine Niederlage erleiden.
不 知 彼 而 知 己, 一 勝 一 負。
Kennt man seinen Gegner nicht, sich selbst aber gut, wird man für jeden Sieg eine Niederlage erfahren.
不 知 彼 不 知 己, 每 戰 必 敗。
Kennt man seinen Gegner und sich selbst nicht gut, ist jede Schlacht verloren.
Wenn China für uns gleichzeitig Partner und Gegner sein soll, dann müssen wir im kritischen Dialog das Unvereinbare vereinen, alle Seiten Chinas kennenlernen, Chinesisch lernen, in China lernen, ganz nahe dran bleiben, uns integrieren, kooperieren und versuchen, dieses Land, seine Gesellschaft, seine Menschen, seine Entschlossenheit, seine uns zum Teil fremde Wahrnehmung, seine Geschichte und seine avangardistischen Cybertechnologien mit all ihren positiven und negativen Seiten zu verstehen und wann immer möglich für uns zu nutzen. Denn wie sollen wir uns langfristig schützen, wenn wir nicht verstehen? Und… wenn wir das heute nicht tun, werden wir bald zum zweiten Mal – und diesmal nicht nur in informationstechnologischer Hinsicht – komplett den Anschluß verlieren.
Nach Angaben von Internetlivestats verfügte die Volksrepublik China 2016 über mehr als 720 Mio. Internetuser, das sind mehr als ein Fünftel der gesamten Internetuser weltweit. Darunter sollen sich laut Prognosen mehr als 650 Millionen mobile Anwender befunden haben. Laut Schätzungen wurden 2016 umgerechnet mehr als 21 Milliarden EURO (12 Mrd. mobil / 9 Mrd. Desktop) für Suchmaschinenwerbung, ca. 7 Milliarden EURO für Bannerwerbung und mehr als 4 Milliarden EURO (> 2,2 Mrd. mobil / <1,8 Mrd. Desktop) für Videowerbung umgesetzt.
Allein im 3. Quartal 2016 belief sich der Umsatz der chinesischen Suchmaschine Baidu auf fast 2,5 Mrd. Euro. Die Dynamik des mobilen Werbemarktes in China ist einer der Hauptfaktoren für das globale Internet-Wachstum. Von den mehr als 720 Millionen chinesischen Internetanwendern leben – eine echte Überraschung – fast 200 Millionen in ländlichen Gebieten.
Erfolg im chinesischen Internet hat nur der, dessen Webseite in chinesischer Sprache vorliegt, der diese in China hosten lässt und der eine responsive Webseite besitzt. An der Suchmaschine Baidu führt kein Weg vorbei, diese ist mit weitem Abstand Marktführer auf dem chinesischen Festland. Die überwiegende Anzahl der chinesischen Internetanwender surft mit mobilen Endgeräten.
Chinesen nehmen sich mit bis zu einer Minute für die Betrachtung der ersten SERP-Seite wesentlich mehr Zeit als europäische Anwender, die in der Regel schon nach 10 – 15 Sekunden eine schnelle Suchentscheidung treffen.
Wichtig ist auch, dass chinesische Anwender bezahlte Werbeanzeigen von bekannten Marken und Unternehmen vorziehen. Um hier ein wenig gegenzusteuern, wertet Baidu die Anzeigen von nicht so bekannten Unternehmen mit einer Art Zertifikat auf, die durch Maushover angezeigt werden können und die sich auf Qualitätsfaktoren wie Reputation und Sicherheit beziehen.
Viele Chinesen können organischen Suchergebnissen nicht so recht vertrauen, weshalb sie sich häufig lieber für bezahlte Suchanzeigen entscheiden.
China ist quicklebendig – vor allem in den Metropolen. Überall regt es sich, junge Leute mit großem KnowHow, Ehrgeiz und Ausdauer sprühen voller Ideen, arbeiten an gemeinsamen Projekten und entwickeln mit fast Nichts wie aus dem Nichts vor den Augen führender HighTech-Unternehmen eigene Elektronikprodukte, die sie dann auch noch erfolgreich in die Märkte einbringen.
Das Land scheint von einer Idee erfasst, die in Form eines – wie so oft in der neueren chinesischen Geschichte – Leitmotivs formuliert (Li Keqiang 2014) und dann von Lin Yifu, einem der führenden chinesischen Ökonomen, ein Jahr später wieder aufgegriffen wurde. Dieser Appell – im Prinzip eine Vollorientierung in Richtung Kapitalismus (chinesischer Prägung) – an die unternehmerische und kreative Kraft des gesamten chinesischen Volkes besitzt das Potential, die chinesische Wirtschaft zügig bis zum Jahr des Drachens (2024) an die Spitze der Weltwirtschaft zu bringen:
„Unternehmertum und Innovation durch die Massen“ (大众创业,万众创新 dazhong chuangye, wanzhong chuangxin).
Der chinesische Drache ist wiedererwacht und kehrt nach 150 Jahren Tiefschlaf in Form eines mehr als 14.000 Kilometer langen Meeresdrachens auf seinen Drachenthron zurück. Wir reden zunächst nur von den 8 chinesischen Küstenprovinzen, die 2016 ein Bruttoinlandsprodukt von etwa 4,5 Billionen US Dollar erwirtschafteten.
Wenn man bedenkt, dass Deutschland 2016 einen BIP von 3,4 Billionen US Dollar aufwies, so ahnt man vielleicht, wie das in China bei einem realen Wirtschaftswachstum von 6,6 % im Vergleich zum Vorjahr in ein paar Jahren aussehen könnte. Das in China generierte BIP allein der Küstenprovinzen ist erst der Anfang. Das deutsche und auch das europäische BIP lässt sich trotz aller wirtschaftlichen Erfolge aus Ressoucengründen nicht mehr in den Himmel steigern, wohl aber das chinesische.
Auch wenn man mit der chinesischen Sprache nichts zu tun haben möchte: Heute im Internet-Zeitalter geht uns China alle etwas an, weil der erwachte Drachen nicht nur im Begriff ist, die politische, wirtschaftliche, finanzielle, militärische und kulturelle Landschaft dieser Welt umzugestalten, sondern auch das Internet global zu verändern, d. h. konkret die Art und Weise, wie wir uns informieren, einkaufen, konsumieren, soziale Kontakte pflegen, viele persönliche Daten in die Hände von nur Wenigen legen, wie Big Data-Bestände zentral und nicht mehr dezentral vorgehalten werden und viele Dinge mehr. Schon heute gibt es 2 voneinander getrennte Internets: Ein von US-Unternehmen und ein von der Volksrepublik China dominiertes Internet.
Aber es geht nicht nur um die Größe des chinesischen Internetmarktes, die allein schon die Entwicklung des globalen Internets wie ein Katalysator beschleunigt, sondern auch um atemberaubende neue Internettechnologien, wie sie seit geraumer Zeit von volksrepublikanischen Internet-Unternehmen entwickelt und – in kurioser Umkehrung aller bekannten Gewohnheiten – mittlerweile selbst von Silicon Valley-Unternehmen nachgeahmt werden.
In punkto Internet macht China nicht mehr nach, sondern allen etwas vor, auch und vor allem den das Internet bisher dominierenden US-Unternehmen. Die chinesische Formel für das Internet, die seit einigen Jahren über die App WeChat Pay auch in den Westen exportiert wird, heisst Smartphone + WeChat 微信 und bietet dem Internetanwender alles, was er für sein tägliches Online- und Offline-Leben benötigt.
China tickt anders…
Doch Baidu 百度 ist nicht Google, Youku 优酷 nicht Youtube, Twitter nicht Weibo 微博, Huawei 华为 nicht Cisco und Alibaba 阿里巴巴集团 nicht Amazon oder eBay. Diese Gleichung funktioniert so nicht, denn China kommuniziert anders, ist anders vernetzt, Geschichte, Kultur und Sprache sind anders, die Geschäfte laufen anders, Suchmaschinen und Nutzerverhalten sind anders, die Firmen sind anders vernetzt, funktionieren anders, Internetwerbung geht anders, Webseiten sind anders, die Menschen denken anders und die Apps sind in eine völlig andere Internet-, Social Media- und E-Commerce-Portal-Landschaft eingebettet als in Europa oder in den USA.
Die großen Akteure wie Huawei, Alibaba, Tencent oder Baidu bewegen sich in branchenübergreifenden Geschäftsmodellen und bieten ihren Kunden nicht nur Waren, sondern auch Bezahl-, Transport- und Logistikdienste, Informationsdienste, Social Media-Dienste, Finanzdienste, Unterhaltungsdienste und vieles mehr. Warenangebote interagieren gekonnt und gezielt mit den alltäglichen Lebensbedürfnissen ihrer Konsumenten.
Es sind chinesische Unternehmen wie Huawei, Tencent Holdings Ltd (Smartphone- und PC-Spiele, Bezahldienste, Online-Werbung und Digital Content), Alibaba Group, Baidu Inc, JD.com Inc, NetEase Inc, Sina Corp, Sohu.com Inc, Meituan-Dianping, Ctrip, Qihoo 360 Technology Co Ltd, VIP.com, u. v. a., die u. a. mit ihren innovativen Plattformen und Apps Unsummen über das Internet bewegen und im Begriff sind, auch die Finanzwelt noch tiefgreifend zu verändern. Diese chinesischen Internetgiganten sind Herrscher über die Kaufentscheidungen chinesischer Internetkonsumenten, angefangen von Werbung, die Begehrlichkeiten weckt, über das Auffinden und Vergleichen von Shops und Händlern, dann zur Kaufentscheidung, Online-Bezahlung, dem Aufbau von Markenloyalität, Abwicklung von Video- und Sprachanrufen und dem Sharing der Einkaufserlebnisse mit Freunden. Einige dieser Unternehmen – Stichwort Baidu und KI – sind im Begriff, ihren amerikanischen Mitbewerbern in den kommenden Jahren den Rang abzulaufen.
Internetuser in Europa und den USA haben Zugriff auf Google, Facebook, What`s app, Amazon, Skype, Uber, Paypal und viele Dienste mehr, die Vielen von uns – wenn auch zu einem hohen Datenpreis – das Leben komfortabler gestalten. Alles meistens einzelne Dienstplattformen, die vielfach auch einzelne Apps anbieten.
Anders in China. Hier sind Super-Apps im Einsatz, die gleich mehrere der im Westen bekannten Internetdienste in sich vereinen, auch wenn diese in China anders funktionieren. Diese Power-Apps sind damit sehr vielseitig und werden von den meisten der überwiegend mobilen chinesischen Internetanwender tagtäglich eingesetzt.
WeChat – die neue Lebensart oder die Welt durchs SmartPhone
Doch damit nicht genug, denn im Land der aufgehenden Sonne gibt es mittlerweile auch Apps, die sich nicht nur alle konventionellen Apps einverleibt haben, sondern weit mehr sind als die Summe ihrer Teile. Und das potenteste Beispiel ist der (auf den ersten Blick nur ein) Messengerdienst WeChat, auf Chinesisch sehr bescheiden 微信 Wēixìn, „Mikronachricht“ genannt. Diese App der neuen Generation stammt aus der Softwareschmiede des grössten und erfolgreichsten Internetunternehmen der VRCh, Tencent (Börsenwert mehr als 500 Mrd. US-Dollar), und mit ihr kann nicht nur kommuniziert, sondern auch gekauft, bezahlt, gespielt und fast alles andere getan werden, was Menschen sonst noch so alles tun.
Jeden Tag 38 Milliarden kleiner Nachrichten und Vieles mehr
WeChat ist eine App der Superlative, in die sich täglich mehrere Hundert Millionen Anwender einloggen. So waren zum Beispiel im September 2017 mehr als 900 Millionen Anwender-Logins und 38 Milliarden versendete Nachrichten täglich zu verzeichnen. Täglich sollen ca. 68 Millionen Videos gepostet werden. 50 % aller WeChat-Anwender nutzten 2016 die App wenigstens für eine Zeitdauer von 1,5 Stunden pro Tag. Jeden Tag sollen 2016 über WeChat im Durchschnitt täglich 100 Millionen Video- und Sprachanrufe verbunden worden sein. Am Tag vor dem chinesischen Neujahrsfest sollen 2,35 Milliarden Hongbaos (rote Briefe mit Geldgeschenken) versendet worden sein. Ein normaler WeChat-Anwender soll monatlich im Durchschnitt 28 Hongbaos an Freunde, Bekannte und Verwandte versenden und dabei jeden Monat die Summe von 88 US $ ausgeben.
Aber WeChat wendet sich nicht nur an Privatanwender, sondern auch an Geschäftsleute. Ab April 2016 bietet Tencent über seine WeChat Social Networking-Sparte auch Videowerbung an. Über den WeChat-Channel können sich Hersteller und Dienstleister direkt an ihre Zielgruppe wenden und entsprechende Werbung posten, wobei sich die Anzahl der Online-Käufer von 2015 auf 2016 verdoppelt hat. Mehr als 200 Millionen Anwender haben bereits ihre Debit- bzw. Kreditkarten mit WeChat-Pay verknüpft und erlauben damit den automatischen Bankeinzug. Jeden Monat können die von Tencent angebotenen mobilen Zahlungssysteme einschließlich WeChat-Pay auf mehr als 600 Millionen aktive Anwender zurückblicken, die sich mit mehr als 1 Million Retail Shops verbinden.
Vor nicht langer Zeit hat der WeChat-Provider Tencent eine neue WeChat Smart Transport-Lösung bereitgestellt, mit der Anwender selbst ohne Internetzugang am Transaktionsort durch das Scannen von QR-Codes die Gebühren für die Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln bezahlen können. Mit cleveren Lösungen bedient das Unternehmen Tencent die Social Media- und E-Commerce-Bedürfnisse von privaten Anwendern und Geschäftsleuten im großen Stil. In der Volksrepublik China werden pro Jahr mehr als 15 Billionen Geldbewegungen über Smartphone-Apps abgewickelt, also mehr als 30 x soviele Transaktionen wie bei PayPal USA. Mehr als 500 Millionen Chinesen bezahlen per Smartphone – vielfach auch über QR-Codes -, ein gigantischer Markt, der zur einen Hälfte von WeChat-Pay und zur anderen Hälfte von AliPay, dem Online-Bezahldienst von Alibaba, bedient wird. Die dabei fliessenden Geldströme und transportierten Geldsummen sind so gewaltig, dass die chinesische Regierung nicht umhin kann, diese mit entsprechenden Mitteln für sich „sichtbarer“ zu gestalten.
Eine App geht viral
Das mit dieser App verbundene Wirkprinzip ist viral. In dieser App gehen nicht nur Bilder und Videos viral, sondern auch Dienstleistungen, Produkte und Unternehmen, wobei die App von den Beteiligten – das sind oft mehrere Personen gleichzeitig – über Stunden nicht verlassen wird.
Smartphone + WeChat = chinesisches Internet
Mit 97 % weist die Volksrepublik China weltweit die höchste Mobiltelefon-Durchdringung auf und die WeChat App ist mittlerweile so tief und unauslöschlich mit dem chinesischen Alltag verwoben, dass für die meisten Chinesen ein „normales“ Leben ohne diese App kaum mehr möglich ist. Ohne Smartphone und WeChat läuft in China heute nichts mehr. WeChat ist der ständige und unverzichtbare Begleiter von Abermillionen chinesischen Internetanwendern.
Diese App bestimmt – vielleicht für einige von uns in beängstigender Weise – die Art, wie und mit wem die täglichen Dinge geregelt, wie und welche Dienstleister und Produkte bestellt, wie Geld ausgeben, wie Flüge, Reisen oder Krankenhausbetten gebucht, wie Arzttermine vereinbart, wie Freunde zum Essen eingeladen, wie und welche Taxen gerufen, wie telefoniert, wie Reinigungskräfte bestellt, wie in welchen Restaurants das Essen und das unserer Freunde vorbestellt, wie Immobilien gesucht, Photos mit Freunden und Bekannten geteilt, Investitionen getätigt, Bücher gelesen, Spiele gespielt und andere ganz gewöhnliche und auch ungewöhnliche Dinge getan werden.
App in den Westen
WeChat vom Hochflieger Tencent 腾讯 (tengxun, wörtl.: hochfliegende Informationen, Nachrichten) mit Stammsitz in der chinesischen Telekommunikations- und Elektronik-Metropole Shenzhen hat sich auf den Weg gemacht, über das Internet auch die restliche Welt zu erobern und unterstützt dabei weit mehr als 200 Länder und einige Dutzend Sprachen. Es soll mittlerweile mehr als 100 Millionen WeChat-User außerhalb des chinesischen Festlands geben, wobei sich die App anfänglich vorwiegend an chinesische Urlauber im Ausland richtete. Es ist schon kurios, dass gerade diese chinesische Super-App, die heute von der US-Regierung verbannt werden soll, vor etwa 20 Jahren erst mit amerikanischer Hilfe an die Spitze gelangen konnte.
Da vor allem in Europa und den USA die entsprechenden Internetdienste – wenn auch auf viele Einzelapps und mehrere Portale aufgeteilt – schon vorbelegt waren, ist die internationale Expansion dieses kapitalen Messengerdienstes bislang nicht so erfolgreich verlaufen wie in der Volksrepublik China, doch über das WeChat Pay-System – so etwas wie ein „trojanischer Drachen“ – soll diese App auch international verbreitet werden. Seit Ende 2017 gibt es WeChat Pay übrigens auch am Münchener Flughafen und die angeschlossenen Händler freuen sich auf die Gewinne, die sie mit den vielen chinesischen Touristen (Jahresumsatz weltweit mehr als 250 Milliarden US $) über diese App erwirtschaften können.
Das Nutzerverhalten der größten Internetgemeinde der Welt, der chinesischen, sowie die Innovationstechnologien der in China ansässigen Internetfirmen wirken als Katalysator und bewirken im Eiltempo eine reaktive Entwicklung des Internets und Anwenderverhaltens auch in den USA und Europa. Das, was man dagegen tun kann, ist zu lernen, wie das chinesische „Inter-Intranet“ funktioniert und wie man es für seine Zwecke nutzen kann.